Am Meer

 

 

„Woran denkst du?“

 

Sie goss sich ein Glas Wein ein und setzte sich ihm gegenüber an den kleinen Tisch mit Blick auf das Meer.

 

„Die Menschen am Strand. Schau, der Vater dort baut eine Burg, ach was, eine ganze Burganlage. Er ist so vertieft, dass er gar nicht merkt, dass sein Sohn nur ein bisschen daran herumspielt.“

 

Sie lachte. „Bestimmt hat er sich das erste Legoset bestellt, als er erfahren hat, dass er einen Sohn bekommen wird. Endlich hat er eine Ausrede, um sich auszuleben.“

 

Er beugte sich weiter vor. „Und siehst du diese Frau da? Sie telefoniert die ganze Zeit, geht höchstens ein paar Schritte. Trägt aber Markensportkleidung. Bestimmt hat sie ihrem Mann gesagt, dass sie Joggen geht. Telefoniert statt dessen heimlich mit ihrem Liebhaber.“

 

„Ja, so habe ich das auch immer gemacht!“ Sie lächelt, als er entsetzt aufblickt. „Nein, Scherz. Aber der Alte da drüben. Was macht er denn?“

 

Sie zeigte mit dem Finger auf einen gebückten Mann, der ein seltsames Gerät über den Boden hielt.

 

„Ach der. Er hat einen Metalldetektor und sucht nach Goldmünzen aus dem verlorenen Piratenschatz.“

 

„Was wird er machen, wenn er eine gefunden hat?“

 

„Ich glaube, es geht ihm nicht ums Finden. Er wird sie beiseite legen und einfach weitersuchen, oder er wirft sie wieder ins Meer zurück.“

 

„Das Meer. Es sieht so unendlich aus.“ Sie trinkt einen Schluck, schaut in die Weite. Gedankenversunken.

 

„Und du?“, fragt er sie schließlich. „Woran denkst du?“

 

„Ernsthaft? Ich denke daran, wie schön es wäre, am Meer zu sterben.“

 

„Weil sich Himmel und Meer hier so nahe sind? Ja, vielleicht hast du recht. Vielleicht ist das ein schöner Gedanke.“

 

Er nimmt die Flasche und gießt ihr noch einmal nach.

 

„Aber weißt du, was noch schöner wäre?“

 

„Mh?“

 

Er beugt sich über den Tisch und nimmt ihre Hand.

 

„Noch schöner wäre es, am Meer zu leben.“

 

Dann küsst er sie, ganz sanft.

 

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